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gehalten wurde. Und so kam es, daß sie innerhalb der wundersamen Welt der Pflanzen das Geheimnisvolle und Lockende schlechthin verkörperte.

Die verschiedenen Mandragora-Arten, die alle die Alkabide Skopolamin und Hyoscyamin enthalten, waren ursprünglich in den Ländern des östlichen Mittelmeerraumes beheimatet; dort sind sie auch heute noch sehr häufig anzutreffen, vor allem auf brachliegenden Feldern und Schuttplätzen.(1) Sogar die alten Perser und Ägypter kannten schon die Heilkräfte der gelben oder rotgoldenen Beeren und vor allem der Wurzel, und es ist sicher, daß beide Teile der Pflanze als Aphrodisiaka verwendet wurden. Stücke der Mandragora-Wurzel, die höchstwahrscheinlich als Liebes-Glücksbringer getragen wurden, wurden zusammen mit anderen Grabbeigaben in den königlichen Grabkammern in den Pyramiden gefunden, und die Alraune wird, (zusammen mit ungefähr 700 anderen medizinischen Pflanzen) im berühmten Papyrus Ebers aus der Zeit von 1700 - 1600 v.Chr. besprochen.(2)

In der Bibel werden die Früchte der Mandragora zweimal erwähnt(3); einmal in der Genesis XXX, 14-16, als Rahel Ruben, dem Sohn Leas, die Mandragorafrüchte wegnimmt, um damit ihre Unfruchtbarkeit zu heilen, und ein andermal im Lied Salomon VII, 11-13, als die liebliche, junge Sulamit, die häufiger als irgendein anderes weibliches Wesen von der Dichtkunst besungen wurde, ihren Geliebten einlädt, mit ihr hinaus in die Natur zu gehen. Dort, wo die Alraunen ihren Duft verströmen, schenkt sie ihm dann ihre Liebe; es liegt dabei eindeutig in ihrer Absicht, daß die Alraunen ihr einen besonders feurigen Liebhaber bescheren sollen.

In der Antike macht der griechische Arzt Theophrast (ca. 370-328 v. Chr.) deutlich klar, daß die Alraune keine gewöhnliche Pflanze ist. Bevor er darauf eingeht, daß die Wurzel unter anderem sowohl als Schlafmittel als auch als Aphrodisiakum benutzt wird, erläutert er, ohne jedoch selbst daran zu glauben, die Vorkehrungen, die von den Wurzelschneidern beim Sammeln der Pflanzen

getroffen werden müssen.(4) Zuerst müsse man mit einem Messer drei Kreise um die Pflanze herum in die Erde ziehen. So dann könne man, das Gesicht westwärts gewendet, zuerst den oberen Teil der Wurzel abschneiden, daraufhin weitere Teile der Wurzel freilegen; bevor jedoch das letzte Stück freigeschnitten werden dürfe, müsse man um die Pflanze herumtanzen und dabei so viel, wie das Gedächtnis nur hergibt, aus den Mysterien der Liebe rezitieren. Ein dänischer Wissenschaftler kommentierte diese Textpassage mit der Bemerkung, daß die Absicht hierbei vor allem sei, so viele Unanständigkeiten wie nur möglich herzusagen(5) - was auch recht plausibel klingt, da ja hinreichend bekannt ist, daß Dämonen es mit der Angst zu tun bekommen ünd verschwinden, sobald man sich ihnen gegenüber nur unflätig genug verhält.

Selbst Pythagoras (geb. ca. 582 v. Chr.) soll angeblich von der Alraune gesagt haben, daß sie antrophomorph sei, das heißt, einem menschlichen Wesen gleiche(6), und mit ein wenig Phantäsie kann man auch wirklich ein kleines menschliches Wesen oder eine Puppe in ihr sehen. Bei Beschreibungen in den ältesten griechischen Medizinbüchern interessieren sich die Autoren noch fast ausschließlich für die Verwendungsmöglichkeit der Alraune in der Heilkunde. Erst in der Zeit des griechischen Imperiums wurden auch Einzelheiten über ihre gefährlichen Wirkungen und magischen Kräfte hinzugefügt. So wird uns durch Flavius Josephus, dem jüdischen General, Diplomaten und Geschichtsschreiber, der ca. 95 n.Chr. in Rom sein Leben aushauchte, berichtet, daß in einem Tal in der Nähe des Toten Meeres eine wundersame Pflanze wächst, die nachts ein leuchtendes, rotes Licht ausstrahlt.(7) Es sei schwierig, sich ihr zu nähern, da sie sich sofort zurückzöge, sobald sie bemerke, daß jemand versuche, an sie heranzugelangen. Wenn es einem jedoch gelänge, sie mit Urin oder Menstruationsblut zu übergießen, bleibe sie stehen. Direkte Berührung der Pflanze bringe zwar Lebensgefahr, dennoch bestehe die Möglichkeit, sie aus der Erde herauszulösen. Dazu müsse man vorsichtig um sie herumgraben, bis nur noch das äußerste Ende der Wurzel in der Erde stecke; daraufhin solle man einen Hund an der Wurzel festbinden und sich entfernen.

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