[ Zurück ]

gefallen war und kein neuer Käufer mehr für sie zu finden war, dann mußte sie, wenn ihr Besitzer verstarb, mit ihm ins Grab steigen. Am Tage des Jüngsten Gerichts würde sie dann Seite an Seite mit ihrem Besitzer vor Gott stehen und ihren Anteil am ewigen Leben fordern.

Auf dem Höhepunkt des Alraunen-Glaubens im 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden allmählich mehr und mehr Zweifel daran laut. John Gerard (1547-1607), dessen Kräuterbuch 1597 erschien, reibt seinen Lesern mit deutlicher Mißbilligung verschiedene abergläubische Ansichten über die Alraune unter die Nase und schließt mit der folgenden Ermahnung:

Dergleichen Träume und Altweibergeschichten sollt ihr fortan aus euren Büchern und eurer Erinnerung verbannen; denn so erfahret hiermit, daß deren alle und jeder einzelne Teil von ihnen falsch und höchst lügenhaft ist: denn ich selbst habe zusammen mit meinen Bediensteten viele ausgegraben, gepflanzt und verpflanzt und konnte dennoch niemals der Gestalt eines Mannes oder eines Weibes darin ansichtig werden, sondern sah eine Wurzel, die manchmal aus einem einzigen geraden Stück bestand, manchmal aus zweien und des öfteren sechs oder sieben Nebenwurzeln von der Hauptwurzel abzweigend, eben so wie es die Laune der Natur auch anderen Pflanzen zu bescheren pflegt. Indessen haben faule Müßiggänger, die nichts oder wenig anders tun, als Speis und Trank zu frönen, ein gut Teil ihrer Zeit dem Schnitzen der Zaunrübe gewidmet, der sie die Gestalt von Mann und Weib gaben: dieselbig trügerische Handlung begründet nun den falschen Glauben in dem einfach' und ungebildet' Volke, das jene dann beim Wort genommen und die Wurzel für ein echt' Alraun gehalten.(13)
lyras

Gerard war nicht der erste, der Einspruch erhob. Er bezieht sich auf Dr. William Turner, der schon 1551 im ersten Teil seines Kräuterbuches etwas Ähnliches gesagt hatte, außerdem war die menschliche Gestalt der AIraune schon 1526 in The grete herball in Abrede gestellt worden.(14) Aber drei englische Schwalben machen anscheinend immer noch keinen dänischen Sommer, und so war der Alraunen- Glaube in Dänemark (15) bis ins 18. Jahrhundert hinein fest verankert, als der Zyniker Holberg in seinem Hexene eller blinde Alarm? Apelone erklären läßt, daß wenn ein Hexenmeister einen Sohn zeugt, dann wird dieser die Gestalt einer Drachenpuppe annehmen, die später für die Mutter Geld herbeischaffen wird. Aber erst mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht begann der Glaube an die Alraunen-Sage allmählich auszusterben. Da und dort hält er sich noch bis zum heutigen Tage. Erst vor einigen Jahren übertrug das dänische Fernsehen ein Interview mit einem alten Mann aus Süd-Jütland, der todernst behauptete, daß einer seiner Nachbarn böse Zaubereien praktiziere und sogar so weit ginge, seine Alraune auf Leute anzusetzen, die er nicht leiden könne.

Es ist nicht sicher, ob die Mandragora je von dänischen Hexen angebaut wurde, jedoch wurden in Mittel-und Südeuropa sowohl ihre Früchte als auch ihre Wurzeln in Aphrodisiaka und Flugsalben verwendet. Es bestehen auch Zweifel, ob die Hexen des Südens immer wußten, daß die

[ Weiter ]


[ Inhaltsverzeichnis | Zum Anfang der Alraune | Weiter zum Bilsenkraut ]