Hansens Hexengarten ist ein bemerkenswertes Buch. Zum einen liefert
es klare Untersuchungen über die Tragweite des auf Ritualen und Aberglauben
basierenden Drogengebrauchs in der Geschichte Europas, zum andern eine
hervorragende Bibliographie und wird somit wohl von weiten Teilen der
Wissenschaftler dankbar aufgenommen werden. Aber auch der Laie, der sich für
die religiöse, soziale und kulturelle Entwicklung der westlichen
Zivilisation interessiert, wird gleichermaßen fasziniert sein.
Die neuerliche starke Zunahme an Untersuchungen über halluzinogene
Pflanzen hat dazu beigetragen, daß Interesse der Wissenschaft auf
Hexenkunst, Zauberei, Weissagungen, Prophezeiungen und andere magische Praktiken
zu lenken. Untersuchungen über halluzinogene und andere bewußtseinserweiternde
Pflanzen haben die bis dahin recht begrenzten Gebiete von Geschichte und
Sozialwissenschaft stark ausgeweitet. Die Möglichkeit, die in diesen
Pflanzen wirksamen Stoffe als Mittel in der Experimentalpsychologie oder sogar
der Psychiatrie einzusetzen, und die außergewöhlichen neuen
Perspektiven, die der Pflanzenchemie durch entsprechende Forschungen eröffnet
wurden, hat viele zeitgenössische Forschungsspezialisten begeistert.Ganz im
Gegensatz zu den Drogen primitiver Völker in entlegenen tropischen Gebieten
sind die giftigen und narkotischen Pflanzen, die im Mittelalter bei den Hexe
Europas hochgeschützt waren, in weitem Umfang bekannt, und auch die Rolle,
die sie innerhalb abergläubischer Praktiken gespielt haben, ist relativ gut
durch leuchtet. Einige von ihnen haben als grundlegend Stoffe Eingang in die
offiziellen Arzneimittelverzeichnisse gefunden. Trotzdem war es bis jetzt immer
noch schwierig gewesen, in einem Band zusammengefaßt so viel an zuverlässiger
Information über das Ausmaß der Verwendung von Drogen in der europäischen
Hexenkunst zu finden,wie es der Hexengarten liefert.
Dieses Buch erweist uns insofern einen beachtenswerten Dienst, als es die
zeitgenössische Literatur über Halluzinogene und Gifte um eine
lesenswerte, ausgewogene, gut dokumentierte Studie bereichert, die eine
spezielle Stufe in der Geschichte und Bedeutung der Rauschpflanzen beleuchtet.
Dieser Band, der zuerst auf dänisch erschien und von daher nur einem
ziemlich kleinen Publikum zugänglich war, kann jetzt, durch die sorgfältige
Übersetzung von Muriel Crofts, einem größeren Leserkreis eröffnetwerden.
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Um den tiefgreifenden Einfluß von Halluzinogenen auf viele Bereiche
menschlicher Aktivitäten vollkommen zu verstehen, muß jedoch zuerst
ein klares Bild ihrer fundamentalen Bedeutung in frühen europäischen
Kulturen geliefert werden. Gerade in diesen geographischen Breiten ging der
Gebrauch von bewußtseinserweiternden Drogen und Giften weit über
magisch-religiöse Zeremonien und Heilungsrituale hinaus und schloß
vielmehr die gesamte Philosophie von Geburt, Leben und Tod in sich ein. Die
gedanklichen Grundlagen, auf denen die Hexenkunst basierte, wie - die
Beeinflussung des Übernatürlichen für gute oder üble Zwecke,
die Heilung oder das Heraufbeschwören von Krankheiten, Praktiken, die
Geburt als auch den Schutz des Neugeborenen vor böswilligen Einflüssen
umfaßten, die Vorbereitung auf den Tod und auch häufig das Beschützen
der Seele nach dem Tod - waren durch das ganze Mittelalter hindurch für die
gesamte europäische Kultur charakteristisch. Rauschpflanzen waren während
dieser langen Zeitspanne wesentlicher Bestandteil der Aktivitäten der
Hexen, und ihr Einfluß dauerte, wenn auch in leicht verwässerter
Form, bis relativ weit in die heutige Zeit hinein. Obwohl oberflächlich
betrachtet kein Zusammenhang mehr bestehen mag, so sind doch die derzeitigen,
etwas problematischen Praktiken des Exorzismus in Europa ein direkter Abkömmling
der mit der Unterstützung von Rauschdrogen arbeitenden Hexenkunst früherer
Zeiten, die selbst die Religionen Zu unterminieren vermochte, durch die die
europäischen Völker lange Zeit geknechtet wurden.
Das rätselhafte Antoniusfeuer (Ergotismus) ist ein gutes
Beispiel für den starken Einfluß, den die mit Rauschdrogen arbeitende
Hexenkunst für Hunderte von Jahren in Europa ausübte. Ergotismus wurde
lange Zeit sowohl von Ignoranten als auch jenen, die es hätten besser
wissen müssen, mystifiziert, bis letztendlich doch seine wahre Ursache
entdeckt wurde, die in einer Vergiftung durch einen Ascomyceten bestand, der als
Parasit auf Roggen und bestimmten Gräsern wächst (Mutterkorn,
claviceps purpurea; Anm. d. Übers.). In neuerer Zeit sind nun sogar die
verblüffenden Theorien aufgestellt worden, daß die Hexenverfolgungen
in Neu-England, vor allem in Salem, Massachusetts, ebenso wie die Mysterien von
Eleusis im antiken Griechenland Ausdruck von Mutterkornvergiftung waren.
Eine kritische Untersuchung des gesellschaftlichen religiösen,
politischen und geschichtlichen Einflusses den Hexengebräue, Geheimrezepte
und Teufelsmixturen durch ihren geschickten und vielfältigen Einsatz
mittelalterlichen Europa ausübten, führt sicherlich auch zu einem
Verständnis grundsätzlicher Dinge. Bei der Einschätzung dieses
Einflusses bietet einem H. A. Hansens Beitrag eine große Erleichterung;
dazuhin macht er die Arbeit unterhaltsamer und trägt dazu bei, deren
Relevanz für die mannigfachen kulturellen Aspekte aufzueigen, zu denen man
durch eine Betrachtung der Hexenkunst vordringt. |